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20.04.2012
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Hat der Europäische Gerichtshof die Richtlinie  2006/24/EG (zur Vorratsdatenspeicherung) für vereinbart mit der Europäischen Grundrechtecharta erklärt?

Eine entsprechende Meldung auf netzpolitik.org, die für große Aufregung im netz sorgte,  ist unrichtig, wie die Analyse des EUGH-Urteils vom 19.04.2012 eindeutig ergibt.

Worum geht es?

Der Europäische Gerichtshof (EUGH) hatte über einen Vorlagebeschluss des obersten schwedischen Gerichts (Högsta domstolen) zu entscheiden, die sich nur auf die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung bezog. Kern der Vorlagefrage war: Ist eine Auskunftsverpflichtumng des Internetproviders über den Inhaber einer IP-Adresse mit der Richtlinie vereinbar? Es ging in dem schwedischen Rechtsstreit um eine § 53c des Urhebergesetzes, der eine mit § 101 UrhG vergleichbare Regelung enthält. Das schwedische Gericht hatte mit seiner Vorlagefrage  nicht angefragt, ob § 53c des schwedischen Urhebergesetzes mit der EU-Datenschutzrichtlinie (2002/58) vereinbar ist.

Der EUGH stellt in seinem Urteil klar, dass die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung bereits tatbestandlich nicht auf eine Urheberrechtsverletzung anwendbar ist. Insofern führt der EUGH unmissverständlich aus:

"Die betreffenden Rechtsvorschriften fallen somit nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/24." vgl. EUGH aaO, Rz 45

In der weiteren Begründung seiner Entscheidung bezieht der EUGH sich dann auf die Richtlinie 2002/58 (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) und führt aus, dass der urheberrechtliche Auskunftsanspruch gegen das Recht des Internetnutzers auf Schutz seiner persönlichen Daten abgewogen werden muss, um ein "angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Schutz des dem Urheberrechtsinhaber zustehenden Rechts des geistigen Eigentums und dem Schutz personenbezogener Daten, den ein Internetteilnehmer oder ‑nutzer genießt, sicherzustellen." vgl. EUGH aaO, Rz 50 .

Somit kommt der EUGH zu dem Ergebnis, dass der Urheberrechtliche Auskunftsanspruch, vgl. § 101 UrhG mit der Richtlinie 2002/58 (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation) vereinbar sein kann, wobei unter Berücksichtigung des Einzelfalles strikt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt werden muss. 1)

Damit sind die aktuell drängenden Fragen des urheberrechtlichen Auskunftsanspruchs und der Folgeansprüche bei Urheberrechtsverletzungen (Stichworte: Filesharing, WLAN, DSL-Anschlussnutzer)  weiter im Einzelfall abzuwägen und zu entscheiden.

Insofern ist auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21.03.2012 hinzuweisen. Das Gericht hat mit diesem Beschluss den Weg zu einer Klärung der Frage eröffnet, ob der Inhaber eines DSL-Anschlusses für Urheberrechtsverletzungen verantwortlich ist, die nachweislich von einem anderen Nutzer  seines Anschlusses begangen wurden.

Also: Entwarnung im Falle EUGH und Vorratsdatenspeicherung, weiterhin Klärungsbedarf bei Urheberrecht und Internetnutzung.

Berlin, den 20.4.2012 Meinhard Starostik

1) "Die Richtlinien 2002/58 und 2004/48 sind dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht entgegenstehen, soweit es diese Rechtsvorschriften dem nationalen Gericht, bei dem eine klagebefugte Person beantragt hat, die Weitergabe personenbezogener Daten anzuordnen, ermöglichen, anhand der Umstände des Einzelfalls und unter gebührender Berücksichtigung der sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Erfordernisse eine Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen vorzunehmen." EUGH aaO Rz. 61, dritter Spiegelstrich


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